Thesen

Thesen zu Mediation im Schulbereich

Schulklima
Peer-Mediation kann Anlass und Baustein eines konstruktiven Schulklimas sein.

Ein längerfristiges Mediationsprojekt ist ein geeigneter Beitrag zur Etablierung eines Klimas der Offenheit und Toleranz. Auch kann ein solches Projekt eine Art Initialzündung zugunsten einer positiven Veränderung darstellen. Jedoch ohne flankierende Massnahmen und ohne das engagierte Interesse der Lehrpersonen an eigenverantwortlicher Konfliktbeilegung ist das Klima an einer Institution nicht veränderbar.

Zeit
„Gut Ding will Weile haben“

Die erfolgreiche Etablierung von Peergroup-Mediation ist ein mehrjähriger Prozess. Das liegt weniger an der intensiven Ausbildungszeit der Mediatoren, sondern vielmehr an dem Umstand, dass Mediation als Form der Konfliktbeilegung von den Jungendlichen und den Lehrpersonen anerkannt werden muss. Und dazu braucht es Zeit.

Konfliktlinien
Die Konzentration auf Peer-Mediation kann dazu verführen, die Bearbeitung struktureller und politischer Konfliktlinien im pädagogischen Bereich zu vernachlässigen.

Peergroup-Mediation funktioniert hauptsächlich auf der Ebene von Konflikten zwischen zwei Individuen. Andere Konfliktlinien wie zum Beispiel Gruppenkonflikte, institutionelle Machtgefälle oder gar rassistische Übergriffe lassen sich nur bedingt mit Peermediation bearbeiten. Hierfür bedarf es weiterer Massnahmen.

Messbarkeit

Der gewaltpräventive Charakter von Peer-Mediation ist schwer messbar. Zur Zeit wird Peermediation in der Öffentlichkeit und in den Finanzierungsanträgen als „Gewaltprävention“ charakterisiert. Es ist nicht bekannt, dass bis jetzt wissenschaftlich nachgewiesen worden ist, dass Mediation auch Gewalt vorbeugt. Und genau dies könnte sich als Bumerang erweisen, wenn Geldgeber die gewaltpräventive Wirkung (quantitativ) nachgewiesen haben möchten.

Gewalt

„Wo Konflikt draufsteht, steckt nicht immer Gewalt drin.“

Gewaltprävention wird oft als Hauptzweck der Peer-Mediation gehandelt. Es existieren viele gute Gründe, Mediationsprojekte an Schulen und anderen Institutionen einzuführen. Peer-Mediation stärkt die Eingenverantwortlichkeit, macht neue konstruktive Verhaltensalternativen erfahrbar und fördert die individuelle und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.

Konfliktebenen
Mediation in Schulen ist prinzipiell dazu geeignet, auch Konflikte zwischen Jugendlichen und Erwachsenen zu lösen.

Leider wird diese Möglichkeit noch kaum aufgegriffen. Ich vermute, dass diese Idee umsetzbar ist, wenn die Interaktion zwischen Lehrpersonen und Jugendlichen von beiden Seiten als gleichberechtigt begriffen wird und die Institutionsstrukturen dies zulassen bzw. begünstigen.

Erwachseneneinbezug
Erst eine Einbeziehung der Erwachsenen als Konfliktpartei in Mediationsverfahren macht mit der Idee ernst, dass selbstverantwortliche Kofliktlösemodelle auch partizipatorische Effekte haben. Peer-Mediationen dienen auch zur Entlastung der Erwachsenen in der Disziplinierung von Jugendlichen. Die Bereitschaft der Erwachsenen, selbst an Mediationsverfahren teilzunehmen, könnte der Gefahr begegnen, Peermediation als „blosse“ Erweiterung der pädagogischen Disziplinierungsinstrumente zu missbrauchen.

Geschlechtsspezifität
Geschlechtsdifferenzierte Aspekte (PDF) in den Konflikten verdienen eine stärkere Aufmerksamkeit in der Ausbildung und in der Ausübung von Schulmediation.

Die Erfahrungen im Bereich der Peermediation zeigen, dass Knaben und Mädchen unterschiedliche Konfliktthemen und Konfliktstrategien haben. Entsprechend sollten die jugendlichen Mediatoren auf unterschiedliche Konfliktabläufe eingestellt sein und reagieren können.


Roland Gerber, Basel, 2001


adapt. nach: Bildungsteam Berlin-Brandenburg e. V., 2001,
Verlag an der Ruhr, Rollenspiele für den Mediationsprozess